Die Berichterstattung über Computerspiele in den Medien führt seit geraumer Zeit zu einem wahren Kuriositätenkabinett an Beiträgen und Berichten.
Ich möchte im folgenden einige bemerkenswerte Artikel darstellen:
So wurde in letzter Zeit häufig die Meldung aufgegriffen, dass für die Tat Breiviks in Norwegen Computerspiele einen großen Anteil haben.
Allerdings wurde dazu häufig das kunterbunte Online Rollenspiel World of Warcraft herangezogen, was den nächsten Beitrag etwas seltsam anmuten lässt. Anbei ein kleines Beispiel für die Grafik des Spiels
(c) Blizzard Entertainment
Artikel der Sächsischen Zeitung
„World ofWarcraft ist ein First Person Shooter […]. Der schwer bewaffnete Spieler-Kämpfer geht durch computersimulierte Städte (Hamburg, Berlin, London). […] Man drückt auf eine Taste oder einen Knopf am Joystick, und der Feind – auf dem Alex, am Jungfernstieg – wird von einer Handgranate zerfetzt. Blutspritzer landen auf dem Sichtfeld des Spielers.
Aus: http://www.vanion.eu/news/2208/saechs-zeitung-ueber-wow-wieder-eine-verwechslung
Nach dieser Ausführung muss ich unweigerlich daran denken, wie plötzlich ein schwerbewaffneter Militär durch diese Fantasy Welt rennt und mit Handgranaten den kleinen Zwerg malträtiert. In seinem Rausch nimmt er auch gleich den Drachen und den Elfen mit aufs Korn. Alles eine Frage des Blickwinkels.
Dem All-Time-Favorite der Computerspiel Berichterstattung wurde sich auch zur Genüge gewidmet: Counterstrike. Das personifizierte Nährmedium für Amokläufer. Ein Beispiel gefällig?
Killerspiel Counterstrike – Wie das bewusste Töten von Omas dem Spieler mehr Geld bringt.
Manche unter uns ziehen jetzt sicher die Augenbrauen hoch – Omas töten und damit Geld machen? Wo kommen wir denn hin, wenn selbst friedfertige Großmütter für die Tötungssucht potentieller Amokläufer herhalten müssen?
Verwunderlich woher diese Information kam – es begaben sich wohl unzählige angehende Täter auf die Suche nach den Omas, aber ohne Erfolg.
Es ist schwierig zu verstehen, was Journalisten die über mehr oder weniger weltbewegende Ereignisse schreiben, zu solchen Aussagen bringt.
Eine kleine Recherche oder die Befragung eines aktiven Spielers würden schon Aufschluss geben, dass diese Behauptungen weit von der Spielrealität entfernt sind.
Also woran liegt diese Ansammlung an Falschinformationen?
Erfährt die Recherche weniger Stellenwert als das Schreiben selber?
An der Tatsache, dass das Irren menschlich ist?
Gibt es eine Macht, die im Hintergrund agiert und die Informationen absichtlich verfälscht?
Zumindest muss es etwas gewichtiges sein, anders erkläre ich mir nicht folgendes Beispiel:
In der FAZ wurde vor kurzer Zeit das Fallrückzieher-Tor von Ibrahimovic mit einem angeblichen Fallrückzieher von Rade Prica (auch Schwede) verglichen. Merkwürdig war nur, dass dieses Tor niemals stattgefunden hat. Es wurde in einem Videospiel (Pro Evolution Soccer) erzielt und sah zumindest für den Autor „echt“ genug aus, um darüber einen Artikel zu schreiben. Hier ist das Video:
http://stigma-videospiele.de/wordpress/2012/11/16/faz-videospiel-mit-realitat-verwechselt/
Um den Bogen zu meiner Überschrift zu schlagen gibt es nun ein weiteres zweifellos grandioses Beispiel für durchdachte Recherche.
Als Reaktion auf den Amoklauf während einer Batman Premiere in einem Kino gab es in der Daily Mail eine seltsame Kombinationsgabe des Autors.
Auf einem Bild in der Wohnung des Täters war ein Poster zu sehen auf dem der Titel eines Filmes über Paintball, „Soldiers of Misfortune“, abgebildet wurde.
Seltsamerweise deutete der Autor das Poster als ein Videospiel und sah darin die Rolle der Videospiele bei dem Amoklauf bestätigt
http://stigma-videospiele.de/wordpress/2012/07/24/wie-paintball-zum-computerspiel-wird/
Besonders interessant bei diesem Artikel ist die Tatsache, dass auch das Magazin „Focus“ auf der Internetseite eben diesen Artikel als Quelle angibt. Scheinbar wurde selbst bei doppelter Prüfung nicht herausgefunden, dass es sich um ein Poster über einen Film handelt und das einzige Spiel im Internet mit diesem Titel eher ungeeignet für Amoklaufvorbereitungen erscheint.
(c) Midway Games
Man mag darüber schmunzeln, doch ein fader Beigeschmack bleibt. Neben den Effekten auf die aktuelle „Killerspiel-Diskussion“, die sicherlich nicht förderlich sind, gibt es ein viel generelleres Problem bei schlechten Recherchen.
Wie kann es sein, dass über Dinge, die so leicht zu recherchieren sind, solche falschen Informationen geschrieben werden.
Was geschieht bei Themen, die nicht leicht greifbar sind, die eventuell so hochexplosiv sind, dass es von extremer Wichtigkeit ist, diese genau Darzustellen.
Denn wenn von der Berichterstattung:
die Sichtweise von Menschen abhängt
die Existenz von Menschen abhängt
oder sogar die Einleitung eines Krieges abhängt
kann den Beteiligten die unsachgemäße Recherche teuer zu stehen kommen.
In diesem Sinne zitiere ich abschließend den personifizierten Streiter für die gute Sache und bekennenden Pazifisten – James Bond:
„ Ich glaube nie was in den Zeitungen steht.“
und
„[…] die wichtigste Regel für die Massenmedien: Mann muss den Leuten das geben, was sie wollen.“
(aus: „James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie“)
Genau für solche Recherchefehler wäre ein gut ausgebildete Medienkompetenz hilfreich, allerdings stellt sich die Frage, ob man als Einzelperson beim Überfliegen eines Artikels oder der Nachrichten wirklich immer Quelle und Wahrheitsgehalt überprüfen kann. Um so erschreckender ist es, dass solche Pannen auch großen Redaktionen wie FAZ oder dem focus passieren.
Das schlimmste an diesen Recherchefehlern ist, dass sie erst nach Veröffentlichung des Artikels bekannt werden (wenn überhaupt). So kommen diese „Falsch- oder Fehlmeldungen“ in die breite Öffentlichkeit und verstärken das negativ besetzte Image von Medien im Allgemeinen und Videospielen im Speziellen. Denn nicht nur die Medienkompetenz mancher Autoren solcher Artikel lassen zu Wünschen übrig, sondern auch deren Konsumenten.
Solche katastrophalen Recherchefehler sind immer ärgerlich, manchmal tun sie richtig weh. Man fragt sich schon, ob diese Leute nur fürs Aufheizen und Wiederaufkochen bezahlt werden.
Und klar kann man als Einzelperson den Wahrheitsgehalt prüfen! Man muss zunächst einmal eine grundätzlich misstrauische Haltung einnehmen, von sich aus anfangen, zu recherchieren, wenn etwas seltsam erscheint.
Eine gute Schule sind sogenannte Watchblogs: Bei regelmäßiger Lektüre solcher medienkritischen Seiten erfährt man viel über die Art der Fehler, Unzulänglichkeiten und Manipulationssversuche. Ich empfehle http://www.bildblog.de/ als Einstieg!
Amokläufer wird man sicher nicht alleine durch das Spielen von PC-Killerspielen. Ich halte es daher für zu kurz gedacht, diesen nach Amokläufen eine derart große Präsenz in den Medien zu schenken. Auch die Falschrecherchen dürfen normalerweise nicht vorkommen. Man sollte doch meinen, dass Reporter und Redakteure nicht einfach drauflos schreiben… Dennoch frage ich mich, ob Spiele wie Counterstrike oder World of Warcraft unseren Kindern guttun. Führen sie nicht zu Konzentrationsschwierigkeiten? Im Grunde sind viele Kinder doch bereits abhängig von solchen Spielen. Sie können sich kaum noch auf ein Buch oder einen Text konzentrieren. Das ständige Bildschirmflimmern und Zappeln macht unruhig. Aus dieser Perspektive gesehen erscheint es mir sinnvoll, solche Spiele kritisch zu betrachten!
@ Friederike: Dein Kommentar deckt ganz schön auf, dass wir eigentlich hier von zwei ganz unterschiedlichen Problemen ausgehen. Auf der einen Seite geht es darum, dass Videospiele potenzielle Amokläufer hervorbringen und Gewalt verherrlichen (können). Auf dem zweiten Blick eröffnet sich jedoch auch die Frage nach den „direkten“ Auswirkungen auf Kinder und deren soziale Kompetenzen. Der letztere Aspekt erscheint mir als der deutlich relevantere Einwand. Zudem darf man nicht vergessen, dass der vermehrte Konsum von Videospielen, Fernsehen usw. mit deren Folgen auf unsere Jugend und Kindheit auch erst seit deren Erscheinung existent sind. Diese liegt jedoch noch nicht sehr lange zurück, wodurch bislang lediglich erste Erklärungs- und Deutungsmuster in Sachen Wirkungen von Medienkonsum vorliegen.
Wenngleich ich auch nicht allzu große Bedenken habe, dass es Kindern schadet, wenn sie Videospiele spielen, so stimme ich Friederike zu, dass ein zu starker Konsum demgegenüber nicht förderlich ist. Ich denke, insbesondere Kinder sollten sich nachmittags lieber mit ihren Freunden treffen, um beispielsweise draußen Fußball zu spielen, anstatt ständig nur vor dem Fernseher zu sitzen. Ich erachte das Treffen von Freunden und somit das ‚Leben in einer Gemeinschaft‘ als unerlässlich, da hier schon im Kindesalter soziale Kompetenzen gefördert und geformt werden.
Auch ich sehe einen zu starken Konsum von Computerspielen als kritisch und keineswegs förderlich für Kinder im Schulalter an.
Zu stark werden hier falsche Dimensionen und Perspektiven vermittelt, die die Realität von Kindern stark negativ beeinflussen können. Es wird eine Parallelwelt kreiert, die die Wirklichkeit ausblendet und das reale Leben für Kinder dadurch erschweren, dass diese sich sozial nicht mehr einordnen können und folglich auf Verhaltensweisen der eigenen Parallelwelt zurückgreifen, die für die Außenwelt aber unverständlich sind.
Auch ich bin der Meinung, dass z.B. soziale Interaktion im „wahren Leben“ dem (starken) Konsum von Computerspielen (CS) vorzuziehen ist.
Jedoch bleibt es noch abzuwarten, inwieweit sich das CS auf die Kinder tatsächlich negativ auswirkt. Leider gibt es noch nicht allzu viele Studien über dieses Thema, die seriöse Fakten schaffen. Insofern sollte man nicht zu voreilig urteilen…
Ich weiß nicht, ob wir es uns mit dieser Argumentation zu leicht machen. Die Schuld irgendwo im Bereich der Medien und den Umgang mit diesen zu suchen ist zwar neheliegend, aber vielleicht nicht immer richtig. In meiner Jugend gab es ebenfalls schon Spielekonsolen in Form von Play Station, Gameboy und Co., allerdings war dies für mich nur eine Nebenerscheinung. Die Faszination war groß, allerdings niemals ein richtiger Ersatz für das Treffen mit meinen Freunden und das Toben und Spielen an der frischen Luft. Grund für diesen hohen Stellenwert meines sozialen Umfelds war allerdings auch die Erziehung durch meine Eltern. Vielleicht sollte dieser Aspekt in unserer heutigen Zeit mal wieder neu überdacht werden.
Unsere Gesellschaft zeichnet sich durch die nicht sonderlich positive, wenn auch verständliche Eigenschaft aus, für unerklärliche Dinge, die dort „draußen“ in der Welt passieren, möglichst schnelle und naheliegende Antworten zu finden. „Die Presse“ schlägt mit polarisierenden, nicht immer wahrheitsgemäßen Artikeln und Beiträgen in eben diese Kerbe.
Ich stimme euch in dem Punkt zu, dass die falschen Recherchen nicht vorkommen dürften. Dies ist jedoch immer wieder der Fall, solche Artikel müssen dann entsprechend reflektiert gelesen und kritisch betrachtet werden. Videospiele sind mittlerweile ein Teil unserer Gesellschaft geworden. Diese Tatsache muss man ganz einfach akzeptieren. Es ist sinnvoll, Kindern und Jugendlichen den reflektierten Umgang mit Videospielen nahe zu bringen und dafür zu sorgen, dass sich ihr Alltag bunt gestaltet. Nach dem Fußballtraining hin und wieder mal am PC zu spielen ist sicherlich keine große Sache. Es sollte nur nicht überhand gewinnen!